Wartungseinheit 32 der NVA für das Schutzbauwerk 16/017 - Chronik

- Nichtveröffentlichte Erinnerungen -

© Hertwig und Co. / 2008, ergänzt 2018, 2021


3. Planung und Bau des Schutzbauwerkes 16 / 017

Die künftige Hauptführungsstelle des MfNV bei Hennickendorf sollte das erste in der DDR gebaute eigene große Schutzbauwerk werden. (in der Folge wurde in Tessin bei Rostock noch eine Anlage des gleichen Typs errichtet. Die Projektunterlagen sind beinahe identisch. Bei anderen Anlagen wie in Harnekop, Garzau oder Prenden konnte auf die grundsätzlichen Erfahrungen zurückgegriffen werden).
   Grundlage für das Bauvorhaben 16 / 017 war der Befehl 64 / 65 des Ministers für Nationale Vertei­digung vom 10. Juli 1965 (er trug die GKdos-Nr. Va/245/65). Die Technisch-ökonomische Zielstellung (TÖZ) wurde am 26. November 1965 bestätigt. Als Termin der Fertigstellung der Anlage wurde zu­nächst der 31. Dezember 1968 genannt, später aber auf 1970 „präzisiert“. Vorgesehen war ein Bauwerk, das Platz und Arbeitsmöglichkeiten für 350 Personen bot.

Zahlen und Fakten zum Schutzbauwerk 16/017
Unterirdisches zweietagiges Bauwerk in Monolithbauweise. Zusätzlich „Zwischengeschoß“ und über­kragende Zerschellschicht. Zum Zeitpunkt der Errichtung ein Haupteingang mit großer Schleuse, ein Transporteingang und zwei Notausstiege.

Wichtige Maße:
Außen:57 m x 50 m
Nettofläche:3200 m2
    davon Verkehrsfläche:610 m2
für operative Zwecke:635 m2

Schutzeigenschaften: Schutzklasse A;
Druckwellenbelastung 2 Mpa (20 kp/cm2)
Berechnet wurde die Widerstandsfähigkeit des Schutzbauwerkes gegenüber Erd-Kernwaffen­detonation in folgenden minimalen Entfernungen vom Epizentrum der Detonation:
20 kt Sprengkraft 170 Meter
100 kt Sprengkraft 300 Meter
500 kt Sprengkraft 510 Meter
1 Mt Sprengkraft  640 Meter

Die Resistenz gegen konventionelle betonbrechende Bomben betrug P = 5000 kp, der Beschleu­nigungsschutz 23 g auf 1,5 g. Schutzmaßnahmen gegen den Elektromagnetischen Impuls nach einer Kernwaffendetonation waren vorhanden.

Kapazität:
300 Personen. Die Unterbringung weiterer 50 Personen wäre möglich gewesen.

Abbildung 3.1 Auf den Reißbrettern der AGS Dresden entstanden die Zeichnungen für ein zwei­geschos­siges Schutzbauwerk und einer überkragenden Zerschellschicht. Querschnitts-Skizze: P. Bergner

   Zwar gehörte das Errichten von Schutzbauten und Bunkeranlagen an sich schon viele Jahrzehnte zur militärischen Ingenieurbaukunst (Stichworte: Maginot-Linie oder „Wolfsschanze“), dennoch betraten mit dem Bauvorhaben 16 / 017 die beteiligten Projektanten und Ingenieure ein für sie absolutes Neu­land. Der besondere Anspruch an die künftige Hauptführungsstelle bestand darin, dass das Bauwerk seine Nutzer auch vor den Wirkungen von Atomwaffen schützen sollte. Aus den bekannten Faktoren einer Kernexplosion (Druckwelle, Licht- und Hitzestrahlung, freigesetzte Radioaktivität und letztlich der elektromagnetische Impuls) galt es, entsprechende Ideen und Technologien für den Schutz des Personals sowie das zuverlässige Funktionieren aller Bestandteile des Bauwerkes abzuleiten und auf die Reißbretter zu bringen. Im Detail können an dieser Stelle nicht all die geforderten Schutzeigenschaften aufgeführt werden. In jedem Falle verbirgt sich hinter „Schutzklasse A“ der höchste Schutzgrad eines solchen Bauwerkes.
   Unverzichtbar war für das Planen und Projektieren die enge Zusammenarbeit mit sowjetischen Spezialisten, die über entsprechende ingenieurbautechnische Erfahrungen aus Kernwaffentests verfügten. So fand bezüglich des Vorhabens 16 / 017 beispielsweise vom 18. bis 30. Juli 1966 in Moskau eine Konsultation statt. Weitere Konsultationen mit der sowjetischen Seite gehörten zur Normalität. Übrigens, die gesamte in den 60er Jahren im Hennickendorfer Vorhaben verbaute Schutz-Technik waren ausschließlich sowjetische Importe. Auch darin waren Bauverzögerungen begründet, die man mit „Rücksicht auf die lieben sowjetischen Freunde“ damals schamhaft mit „langen Lieferfristen der importierten Schutzausrüstungen“ umschrieb.
Die Projektierungsarbeiten erfolgten - stets unter erheblichen Zeitdruck - durch die „Arbeitsgruppe Süd“ des damaligen VEB Projektierungsbüro Süd Dresden (PBS). In Hennickendorf fanden die Projektanten und die Bauleitung Arbeitsplätze im Unterkunftsgebäude Nr. 5. Für die Anleitung war die damalige Verwaltung Bauwesen, 5. Abteilung, im MfNV zuständig.

Zumindest eine Vorgabe für den Schutzbau kam - wie schon angedeutet - vom obersten Bauherrn persönlich. Minister Hoffmann äußerte seine Vorstellungen, welche Arbeitsräume er für wieviel Mitarbeiter benötige. Der operative Arbeitsbereich umfasste insgesamt 43 Räume, davon 29 Einzelräume, 13 Zwei- beziehungsweise Dreimannräume und einen Beratungsraum. Außerhalb des Schutzbauwerkes gab es im Block 5 auch noch 19 operative Arbeitsräume.

*

Erste Arbeiten waren die Rodung eines Waldstückes neben der Kaserne in Richtung des Dorfes, die Bohrung eines 70-Meter-Brunnens und der Bau eines Abwasser­sam­mlers. Für die Gründungsarbeiten der Bodenplatte wurde ein 80 mal 80 Meter großes Baufeld etwa 5 bis 6 Meter tief ausgehoben, auf der Zwischenebene wurden dann zwei Baukräne aufgestellt.

   Die sogenannte gleitende Projektierung erfolgte zu einem großen Teil im Objekt Hennickendorf selbst. Mangelnde Erfahrungen der Projektanten und vor allem personelle Unterbesetzungen führten zu verschiedenen Problemen.

Abbildung 3.3 Blick in das Innere des Bauwerkes - nach Passieren des Schleusentraktes

So zeigte sich zum Beispiel recht schnell, dass entgegen der Berechnungen, die benötigten Beton-Mischerka­pa­zitäten nicht ausreichten. Neben der Mischanlage 1, die etwa dort stand, wo sich Ende der 70er Jahre der nach­träglich eingebaute Montage- und Wartungsschacht befand, wurde einige Meter links des vorgesehenen Hauptzuganges eine weitere Mischanlage eingerichtet.
Nur wenige Meter von der Mischanlage entfernt ar­beitete und schlief ab dem 1. Februar 1969 Oberstleutnant Werner Gohlke, der als zukünftiger Kommandant der Hauptführungsstelle vorgesehen war. Zuvor war der erfahrene Offizier bereits Kommandeur eines Regimentes und Stellvertreter des Leiters eines Wehrbezirkskommandos gewesen. An den Lärm der Tag und Nacht auf Hochtouren laufenden Mischanlagen erinnerte sich Werner Gohlke noch nach Jahrzehnten.
   Gleitende Projektierung bedeutete in der Praxis aber auch, dass die Bautrupps zuweilen schneller waren als die Ingenieure. Gut für alle, wenn Gebautes und nachgereichte Bauunterlagen dennoch übereinstimmten.
   Zu Recht kritisiert wurde, dass manche Verdichtungsarbeiten am Beton durch die Soldaten des Baupionier-Bataillons 2 sehr oberflächlich ausgeführt wurden. So passierte es einmal, dass der Beton nicht in der Schalung blieb und zig Tonnen unbemerkt nach unten wegliefen. Die Beseitigung des vergossenen Materials beschäftigte einige Baupioniere wochenlang. An anderen Stellen der Sicht­flächen entstanden grobe Nester. Sie mussten nach dem Ausschalen entsprechend ausgeputzt (beziehungsweise torkretiert) werden. Solcherart Baupfusch war auch Grund einer recht kuriosen Anekdote:

Abbildung 3.4
Minister Heinz Hoffmann 1969  (Bild: Bundesarchiv Bild 183 - P0113 - 318).

Als sich Verteidigungsminister Heinz Hoffmann während der Bauphase zu seiner ersten Visite angekündigt hatte, wurde ein besonders unan­sehn­liches Stück Betonwand im Dispatcherraum kurzerhand mit einer Schilfmatte abgedeckt. Nun erregte just diese Matte die Neugier des Ministers und beinahe hätte der „das gute Stück“ beiseite gezogen. Einer vom Bau konnte den hohen Gast gerade noch davon abhalten - indem er ihm vorflunkerte, dass diese Schilfmatte wegen eines speziellen Aushärtungsverfahrens des Betons dort hängen müsse und auf keinen Fall verschoben werden sollte.

Der Minister glaubte es wohl, war er doch Soldat und kein Bauingenieur. Weniger belustigt hingegen zeigte er sich während der gleichen Visite im Bunker, als einer der Elektriker von weiter oben in der Aufregung seinen Schraubenzieher fallen ließ, der dann knapp vor des Ministers Füße landete. Ob die Frage „Das ist wohl ein Anschlag“ eher humorvolle Spitze oder doch ernst gemeint war, ist nicht überliefert. Die Leute vom Personen­schutz werden es gewiss genauer untersucht haben.

*








1965: Ministerbefehl GKdos Va/245/65 - die Geburtsurkunde für den ersten eige­nen Großbunker der DDR






















































Ohne eigene Erfah­rungen auf inge­nieur­bau-techni­schem Neu­land





















Geplant waren für die künftige Haupt­füh­rungsstelle des Mi­ni­sters 43 ge­schütz­te Arbeitsräu­me - alles andere im Bauwerk diente der Sicher­stel­lung dieser Arbeit.












Baupfusch gab es schon damals. Aufwändig musste am Bau immer wieder korrigiert werden











Am 1.2.1969 nimmt OSL Werner Gohlke seine Tätigkeit in Hennickendorf auf















1969: Ministerbesuch auf der Baustelle

Im Folgenden: grafische Übersichten zu den beiden Etagen des Schutzbauwerkes 16/ 017
(aus dem Archiv te Kock)

Abbildung 3.5 Das 1. Untergeschoss des Schutzbauwerkes umfasste vor allem den Schleusentrakt (grün gezeichnet) sowie die operativen Arbeitsräume - mit B, C und D beschriftet. Der B-Bereich war als Chefbereich vorgesehen.
Grau gezeichnet: Versorgungstechnik (Elektrik, Wasser, Klima, Schutz); Rot: Medizinische Einrichtungen, Orange: Teile der Verpflegungseinrichtung, Braun: Sanitärbereiche



Abbildung 3.6 Das 2. Untergeschoss des Schutzbauwerkes umfasste vor allem den Nachrichtenbereich (gelb gezeichnet).
Grau: Versorgungstechnik (Elektrik, Wasser, Klima, Schutz); Orange: Verpflegungs­ein­richtung, Braun: Sanitär- und Fäkalbereiche. Herzstück zur Steuerung aller technischen Prozesse: Der 24 Stunden am Tag besetzte Arbeitsraum des Dispatchers (I3)

Von Ende 1969 an bis ins Frühjahr 1970 hinein erfolgten durch verschiedene Kommissionen die Überprüfung der Funktionsfähigkeit des Bauwerkes und seiner technischen Parameter und Schutz­wirkungen. Zu jenen Prüfungen gehörte auch, eine fiktive, 300 Personen umfassende Bunkerbesatzung für eine Woche lang im Bauwerk einzuschließen. Vielen kamen die sieben Tage wie eine halbe Ewig­keit vor, zumal sie „wie im Spätherbst“ in die Unterwelt hinabstiegen und beim Wiederherauskommen plötzlich Schnee sahen.

Im Übergabe/ Übernahme-Protokoll kam die Abnahmekommission zu folgender Kernaussage:

„Der Aufbau, die Konstruktion und die technische Ausrüstung des Hauptbauwerkes entsprechen dem derzeitigen wissenschaftlich-technischen Höchststand. (Diese Ein­schätzung wurde auf der Grundlage des Projektes17 durch sowjetische Spezialisten anläßlich einer Konsultation im Oktober 1969 bestätigt). Die Ausstattung mit Mobiliar basiert im wesentlichen auf dem Ausstattungskatalog der NVA.
Das Hauptbauwerk entspricht in hygienischer, arbeitshygienischer und medizinischer Hinsicht den vorgegebenen Daten und wurde projektgemäß ausgeführt. Das in allen drei Regimen erreichte Raumklima wird als sehr gut eingeschätzt. Die erreichten Werte liegen auch bei vollständiger Hermetisation günstiger als für derartige Bauten bekannte Werte. Ein Abfall der körperlichen Leistungsfähigkeit bei den Genossen, durch den Aufenthalt im Bauwerk, war nicht festzustellen.
Die Kommission schätzt ein, daß die Funktionstüchtigkeit des Bauwerkes und seiner technischen Systeme ab 01.06.1970 gewährleistet ist. Eine Führung aus den Bauwerk ist ab dem 01.06.1970 in begrenztem Umfange möglich.“
(Das gesamte Protokoll kann als PDF-Dokument eingesehen werden.)


Eine Begrenzung der Nutzungsmöglichkeiten ergab sich auch daraus, dass zwar das Haupt­bauwerk fertiggestellt, aber die Abgesetzten Sendestellen 1 und 2 sowie der Anlaufpunkt mit Hub­schrauber­landeplatz noch nicht einsatzbereit waren. Dort sollte der Abschluß der Arbeiten - etappenweise - bis Ende November 1970 erfolgen.

1969/70: Mehr­monatige Über­prü­fungen der Funk­tions­fähigkeit des Bunkers und seiner Anlagen, unter ande­rem auch durch rus­sische Spezialisten











Einschätzung 1970: Die Führung aus dem Bauwerk ist ab 1. Ju­ni 1970 in begrenz­tem Umfang möglich

 
Zum Schutzbau 16 / 017 gehören folgende Nebenanlagen

• Ein abgesetzter Hubschrauberlandeplatz (HSP); ca. 2 km entfernt, mit Boxen für 4 Hubschrauber und den für die Betankung und Wartung notwen­digen Ein­rich­tun­gen. Dazu weitere Shelter (ober­irdische Bunker):
4 StückFB 2 ca. 30 m lang
1 StückFB 2 (NEA)ca. 12 m lang
2 StückFB 1 ca. 30 m lang
22 StückFB 3 ca. 8,60 m lang

Weiterhin, nahezu baugleich für mobile Funk­sende- und Nachrichtentechnik:
• Eine abgesetzte Funk-Sendestelle (AF 1);
   ca 7 km. entfernt
5 StückFB 1 ca. 30 m lang
1 StückFB 2 (NEA) ca. 12 m lang
5 StückFB 3 ca. 8,60 m lang

• Eine abgesetzte Funk-Sendestelle (AF 2);
   ca. 12 km entfernt
5 StückFB 1 ca. 30 m lang
1 StückFB 2 (NEA) ca. 12 m lang
5 StückFB 3 ca. 8,60 m lang
(FB = Fertigteilbunker)

 

 

Abbildung 3.7 In manchem der zahlreichen Gänge und Schächte tummelten sich in der Schluss-Phase des Bauens etliche Mäuse und Ratten, die es auf außerordentlich „konventionelle Art“ zu beseitigen galt.

Zum Übergabeprotokoll gehörten 12 Zusatzdokumente. In der Anlage 10 (GVS A 154609) erfolgte eine „Auf­stel­lung der Restarbeiten und Mängel am Objekt 17, die bei der Übergabe / Über­nahme festgestellt wurden“ und in Anlage 11 wurden Empfehlungen der Übergabe- / Über­nahme-Kommission ausgesprochen. Dort ist unter an­derem zu lesen: „Bis zum 31.05. 1970 ist die Frage der Ungezieferbekämpfung durch den Chef der Verwaltung Spezialbauten in Zusammenarbeit mit dem Chef der med. Verwaltung und dem Kommandanten der Wartungs­ein­heit 17 zu lösen und weitere Manahmen für die prophy­laktische Ungezieferbekämpfung festzulegen.“ Gemeint waren damit vor allem die in der Bauphase in den Schutz­bau eingedrungenen Ratten und Mäuse. Die Nager fanden hier viele Essensreste, die von den bestens versorgten Baupionieren achtlos liegen gelassen wurden. Die Vari­ante, die unerwünschten Bewohner kammerjägermäßig mit Begasungen zu beseitigen, erwies sich als nicht realisierbar - die Gefahr, nicht alle toten Kadaver in den langen und schwer zugänglichen Röhren und Schächten bergen zu können, war nicht auszuschließen. Am Ende erfüllten im Hochtechnologiebauwerk ganz gewöhnliche Ratten- und Mausefallen diese Aufgabe.
   Ein weiteres Problem war und blieb die Dichtung des Bauwerkes gegen Sickerwasser. Paul Bergner schrieb dazu im Buch „Delphin“:

„Auch einige Probleme der Dichtung des Bauwerkes gegen Sickerwasser konnten nicht gelöst werden. Obwohl in den 80er Jahren selbst die Zerschellschicht freigelegt und mit ,Schweinehaut’ neu beklebt worden war, trat Sickerwasser im Bereich einer technologisch bedingten Fuge durch die Decke. Ich hatte Mitte 2001 eine Möglichkeit zur Besichtigung der Anlage erreicht. Natürlich freute ich mich, den Chef des Bereiches Spezialbauwesen und den letzten Kommandanten dieses Bauwerkes mit in der Anlage zu haben. Wiederum zu deren ,Freude’ wurde dieser Zustand bei dieser gemeinsamen Besichtigung noch im inzwischen aufgegebenen Bauwerk festgestellt.“ („Delphin“, S. 127f.)

Im Dokument A 154 609 (GVS) wurde eine „Aufstellung der Restarbeiten und Mängel am Objekt 17“ gelistet. Mancher Mangel konnte selbst ein Jahrzehnt später nicht wirklich be­sei­tigt werden.

Einige Details der technischen und sonstigen Ausstattung
• Hinsichtlich der Netzersatzanlagen (NEA) war noch Mitte 1968 keine endgültige Entscheidung getroffen worden. Zur Debatte standen damals Dieselgeneratorenaggregate (DGA) aus Magdeburg, aus Rosslau oder Gasturbinen aus PIRNA. Für den Bau eines Musters der Netzersatz-Automatik und zu dessen Erprobung beim VEB Reglerwerk Dresden wurden 20.000 M eingesetzt. Statt dreier DGA mit einer projektierten Leistung von je 320 kW entschied man sich bei der Erstausstattung 1969 für eine Bestückung mit 4 Aggregaten zu je 250 kW.

Abbildung 3.8 Dieselgeneratoren für die Notstromversorgung des Bunkers

Paul Bergner weiß zu berichten:

„Noch im November 1967 sollte zur Synchronisierung dieser Anlage ein Einkauf einer Schaltanlage für vollautomati­schen Betrieb bei der Firma Still GmbH (Hamburg, Berzeliusstraße) im Wertumfang von zirka 60.000 DM West ausgelöst werden.
Der Chef der Privatfirma D. aus Berlin, DDR, die den Einbau der DGA durchführte, sollte dazu Unterstützung für den Besuch in Westberlin erhalten. Es ging insgesamt um dem Kauf von fünf Drehzahlverstellmeterpumpen (davon eine als Reserve) mit elektrischer Drehzahlverstellung zu je 12.500 DM. Die DDR-Betriebe waren mit dem Bau derartiger Anlagen voll ausgelastet und hatten noch Planüberhänge auszugleichen.“

• Ausgeprägtes Neuland war der Einsatz der gefederten Fußböden und Auflager für wichtige Aggregate. Nach den Paul Bergner vorliegenden Unterlagen wurden insgesamt 2419 Federn in den Stärken zwischen 18 mm und 26 mm eingesetzt; davon waren 266 Stück Reserve. Ein Problem dabei bestand in der Tatsache, dass auf diesen „Plattformen“ gearbeitet werden musste. Damit nun nicht bei jeder Gewichtsverlagerung auf diesen Böden alles ins Schwanken geriet, wurden seitwärts in die Wände Bolzen eingelassen und mit Sollbruchstellen versehen. Insofern hätten diese Federn ihre Wirkung erst bei größeren Belastungen entfaltet.

Abbildung 3.10 Radiologische Filter PFP 1000


• Zu den interessanten Dingen gehört auch die Rea­lisierung des Kernwaffenschutzes. Schleusen für das Personal, Schnellschlussklappen, Massekühler etc. für die Technik mussten konzipiert, importiert und fach­gerecht verbaut werden. Insgesamt gesehen war das Bauwerk 16 / 017 auch so eine Art Experimentalbau für den wissenschaftlich - technischen Höchststand. Dies betraf weit mehr als die Schutzbautechnik; auch Fragen wie die automatische Synchronisation des Laufes von 3 und mehr Dieselaggregaten waren noch absolutes Neu­land für die Ingenieure.
• Legenden ranken sich um die „interhotelmäßige Ausstattung“ der vorgesehenen Arbeitsräume. Zum Thema „Ausstattung und Spezialausstattung“ ist im Übergabeprotokoll allerdings folgendes nachzulesen:

„Die Ausstattung erfolgte projektgemäß. Bestehende Abweichungen vom Projekt sind geringfügig und wurden vom Beauftragten des Nutzers bestätigt. Die Qualität der Ausstattung und deren Ausführung wurde für die Bedingungen eines Schutzbauwerkes mit gut eingeschätzt.“
In der Praxis sah das - zumindest noch im Jahre 1970 und dem nachfolgenden Jahrzehnt - so aus, dass einzig und allein der Arbeitsbereich des Ministers mit Teppichboden ausgelegt war. Selbst seine Stellvertreter „mussten“ mit Linoleumbelag auskommen. Zudem wurde großer Wert darauf gelegt, dass sich im Falle eines atomaren Schlages auf den Bunker und der damit verbundenen Erschütterungen das Inventar nicht in herumfliegende Geschosse verwandeln konnte.
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Spartanische Aus­stattung oder „in­terhotelmäßige“ Unterbringung ?

Da Bergner in seinem Kompendium „Delphin“ darüber berichtet, dass man bei einem Besuch 2001 in Hennickendorf im Nachhinein über den „Interhotelausbau dieses Bunkers um 1986 gelästert“ habe (siehe „Delphin“, Seite 128 oben), sind weitere Überlegungen zu dieser Problematik angebracht.
   Und tatsächlich gab es mit dem angedachten perspektivischen Wechsel des „Hausherren“ bei den Verantwortlichen des Bereiches Personenschutz aus dem Ministerium für Staatssicherheit schon 1979 deutliche Vorstellungen darüber, was man an „Mindestanforderungen zur Unterbringung und Sicher­stellung der führenden Repräsentanten“ zu gewährleisten gedenke (dazu später ausführlicher).
Vorab schon wurde der Raum G9 (Speiseraum im Bunker) mit glasfaserverstärkter Tapete (die gab es tatsächlich in den Interhotels) ausgestattet. Neben der optischen Qualität wurden an der Tapete allerdings vor allem ihre guten Brandschutzeigenschaften geschätzt.

Abbildung 3.12 Ausschnitt aus einer Übersichtszeichnung des 2. Untergeschosses des Bauwerkes (rot umrandet: der Speisesaal G9)

Bereits 9 Jahre nach der Einweihung des Schutzbauwerkes 16 / 017: Ganz andere Nutzer im Blick der Oberen:
Dokument GVS MfS 075 Nr. 1054/79 vom 31. Oktober 1979:
„...bauliche Veränderungen erforderlich sind, um die Mindestanforderungen zur Unterbringung und Sicherstellung der führenden Repräsentanten zu gewährleisten...“

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